Führung Industrielehrpfad mit Lehmbauten
06. November 2021
Führung auf dem Industrielehrpfad mit Lehmbauten in Hauptwil TG
Der Historiker Jargo De Luca wird uns auf einem Spaziergang durch Hauptwil an einigen Lehmbauten vorbei führen und die bewegte Geschichte dieses Ortes aufleben lassen. Hauptwil ist der Schweizer Ort mit der grössten Dichte an Wohnhäusern, die in Lehmbauweise errichtet wurden. Wie kam es dazu? Soviel sei verraten: Die Textilindustrie und insbesondere die Rotfärberei spielten eine Rolle. Ohne innovative Unternehmer und freiheitsliebende Köpfe wäre es wohl nicht dazu gekommen.
Treffpunkt: Parkplatz beim Hauptwiler Weiher (Weiherdamm)
Zeit: 10.00 Uhr - 12.00 Uhr
Kosten: IG Lehm Mitglieder kostenlos, Nichtmitglieder Fr. 10.-
Die Veranstaltung ist öffentlich und findet im Freien statt (kein Zertifikat erforderlich).
Bericht zur Führung
Pisé-Bauten in Hauptwil
Hauptwil ist der Ort in der Schweiz mit den meisten historischen Stampflehmbauten. Und so fanden sich trotz Kälte 10 Interessierte auf dem Weiherdamm des Hauptwiler Weihers ein, um mit dem Historiker Jargo de Luca einen Rundgang durch Hauptwil in Angriff zu nehmen. Der anfängliche Nebel verzog sich bald und so fand sich immer wieder ein sonniges Plätzchen um den informativen und unterhaltsamen Ausführungen von Jargo De Luca zu lauschen und den herrlichen Herbsttag zu geniessen. Einen grossen Dank an dieser Stelle nochmals für die Führung mit Zugabe und Ausklang!
Manche Bauten haben gut 350 Jahre auf dem Buckel und sind jedoch wie auch die jüngeren wegen des Verputzes nicht als Stampflehmbauten erkennbar. In den 1660er Jahren wurden rund 40 Gebäude in einer ersten Phase erstellt und schufen einen neues Zentrum für die Leinenmanufaktur. Die Errichtung dieser grossen Bauvolumen wäre auch heute noch enorm in Anbetracht der kurzen Bauzeit - für damalige Verhältnisse wohl sehr selten. Die Bauherrschaft Familie Gonzenbach, zählte dazumal wohl zu den hundert reichsten Schweizern. Durch die Handelsbeziehungen der Textilunternehmen nach Lyon konnten mutmasslich Fachleute geholt werden werden und diese handwerkliche Bautradition entstehen.
Ab Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Familie Brunnschweiler zur bedeutendsten Hauptwiler Textil-Unternehmerin. Auch sie gilt als grosse Förderin der Pisé-Bauten. So entstanden nach und nach diverse Gewerbe- und Wohnbauten in Pisé. Es waren aber auch Mischtechniken mit Lehm oder einzelne Bauteile In Stampflehm gebräuchlich. Auch das erste in einer Reihe von Pisé-Schulhäusern im Thurgau entstand in Hauptwil. Ihr Baumeister war der aus Deutschland eingewanderte Matthias Kliebenschädel, der infolge wohl noch an weiteren Bauten in dieser Lehmtechnik beteiligt war.
Nebenbei: Auch der Dichter Friedrich Hölderlin verdingte sich im Frühjahr 1801 als Hauslehrer bei den Grossindustriellen im «Rütli des Thurgaus» während der unruhigen Zeit der Helvetik und so sollen wohl auch seine konkreten Erfahrungen eines modernen Manufakturbetriebes, die Hölderlin nur in Hauptwil machte, zur Fertigstellung des Hexameterhymnus «Der Archipelagus» geführt haben. Unter anderen Werken entspring der produktiven Zeit in Hauptwil auch das Epos «Unter den Alpen gesungen».
Viele weitere Details zur Geschichte von Hauptwil finden sich auf der Gemeinde-Homepage.
Einige Fragen speziell den Lehmbau betreffend konnten noch nicht abschliessend beantwortet werden. Das ist unter anderem ein guter Grund für die weitere Auseinandersetzung mit der Stampflehm-Tradition von Hauptwil.
Hansjakob Eggenberger, 10. Februar.2022
Weitere Informationen zu den Stampflehmbauten:
Geschichte des Lehmbaus in der Schweiz
Thomas Kleespies, Schweizer Pisébauten, ETH Zürich, 1997
Dissertation Thomas Kleespies: Schweizer Pisébauten
wie auch in Roger Boltshauser, Cyril Veillon, Nadja Maillard (Hrsg.),
Pisé. Stampflehm – Tradition und Potenzial, Triest Verlag, Zürich, 2019
Kontakt für Führungen zu Stampflehmbauten in Hauptwil
Jargo de Luca
Veranstalter
IG Lehm Fachverband Lehm
Ort
Hauptwil TG