OnTour 2023 Studienreise Norditalien

30. September – 07. Oktober 2023

Region Meran Bozen und Bologna

IG Lehm-Studienreise zur Lehmkultur anderer Länder

19 Jahre nach unserer letzten Tour ins Südtirol, hat sich in Norditalien einiges getan in Sachen ökologischem Bauen

Unsere Partner und Reisebegleiter sind:

 

detailliertes Reiseprogramm Stand 21.9.2023

Organisation: Rainer Hettenbach

Reisebericht

Tag 1 – Samstag, 30. September. 2023
Individuelle Anreise ins Vinschgau bis Glurns

  • Langtaufers, 4-geschossiges lasttragendes Strohhaus von Richard Fliri (Arch. Werner Schmidt)
  • Abendessen in Tschenglsburg bei und mit Karl Perfler, und mit Werner Schönthaler (Baustoffhersteller)

 

Besuch Agriturismo 4G-lasttragendes Strohballenhaus (Arch. Werner Schmidt) von Richard Fliri in Graun-Langtaufers
Daniel,
Was erlebtest du an diesem schönen Ort in diesem spektakulären auffälligen Haus am Ortseingang?

Das dreistöckige lastragende Strohhaus passt wunderbar in die Berglandschaft. Trutzig wurde das Strohballenhaus
2007 direkt neben einem Lawinenhang auf das Gelände vom alten Bauernhaus Fliri dazu gebaut.
Die Pionierarbeit die Richard Fliri mit den Architekten Werner Schmidt gegen die Gewalten von Amt und Natur
gemeistert haben, wurde dann bald einmal durch eine Lawine, die über die Schutzmauer quoll, bestätigt. Das
Strohhaus erlitt keinen Totalschaden. Das Haus trotzte fast unbeschadet allen Unkenrufen der konventionellen Planer
sogar der Natur!
Die Materialisierung innen wie aussen ist ehrlich und schlicht gehalten. Was mich besonders erstaunt hat, ist die
Einfachheit der Ausführung. Weniger ist mehr, war seine Rede. Keine Netzarmierung im Aussenkalkputz. Das Haus ist
nicht auf das Fundament verankert. Nur die Masse hält das Haus. Lehmputzwände ohne Wasserwaage - von Auge
verputzt und mit der Hand abgerundete Ecken, ohne Kantenschutz. Fliris Herzensprojekt hat er in aller Konsequenz
überzeugend realisiert. Meine Empfehlung: Unbedingt einen Ferienaufenthalt buchen!    

Abendessen in der Tschenglsburg
Urban,
Die Burg als Symbol für Schutz und kultureller Kraftort? Was war so besonders im "Gemäuer" von Karl Perfler?    
In der um die tausend Jahre alten Burg hat Reinhold Holzer uns das Abendessen empfohlen und reserviert.
Im alten Gemäuer sassen wir um einen grossen Tisch wie zu Ritterszeiten und suchten auf der Karte unser Abendessen
aus regionalen Köstlichkeiten aus. Das reichte von Teigtaschen mit Pilzfüllung über Randen-, Spinat-, Pilz- oder Speckknödel bis zu deftigen Würsten mit Sauerkraut und Fisch. Es schmeckte wunderbar. Fürs Dessert kam der Wirt Karl Perfler persönlich zu uns und erzählte; Tschengls hätte im Winter zwei Monate keine Sonne und das sei gut, weil sie so wieder geschätzt würde, wenn sie im Frühling wieder ins Dorf scheine. Und der Samstag sei der schönste Tag weil man
sich auf den Sonntag freue und auf den Sonntag folge der Montag was dem Sonntag das schöne nehme.
So würde es sich auch mit dem Dessert verhalten..... und so frittierte er uns Teigtaschen mit Mohn-, Marroni- und
Marillenfüllung..... ein Traum!
Zum Abschluss gab's noch einen eher gewöhnungsbedürftigen mit Arvenspänen aromatisierten Schnaps.
So vollgefr..... aber zufrieden fuhren wir zurück nach Mals in unser Hotel, schliefen die erste Nacht und weil wir nicht
gestorben sind, ging’s am nächsten Tag weiter.

Tag 2 – Sonntag, 1. Oktober 2023

  • Eyrs, Baustoffhandel Schönthaler
  • Morter, Haus Tscholl von Anntraud Torggler
  • Latsch, Haus Pohl, Ökobau Holz Lehmheizung Trasszement Keller (Reinhold Holzer)

 

Besuch Baustoffhandel Schönthaler in Eyrs mit Werner Schönthaler
May-Britt,
Was verbindet dein Schaffen mit der Philosophie des Schönthaler-Baustoffhandels?

Werner Schönthaler verändert das konventionelle Bauen. In seinem Fall die Umwandlung des elterlichen Betriebs, vom
Betonbaustoffhandel zu echten brauchbaren Naturbaustoffhandel. Er lotet Grenzen aus und kompensiert mit dem
Hanfkalk die CO2 Sünden seiner Vorfahren. Da ich selber auch mit Hanfkalk baue, vereint uns das „Netzwerk Hanfkalk“.
Pionierarbeit und die selben Überzeugungsarbeiten wie im gesamten Baubiologischen bauen. Schlussendlich ist es
wichtig, Naturbaustoff Hersteller, Verarbeiter, Planer und BauherrInnen zu Netzwerken zusammen zu bringen, um uns
alle weiter zu bringen.


Besuch Haus Tscholl in Morter von+mit Anntraud Torggler
Arwed,
ca. 30 Jahre nach deinem Workshop: was fandest du vor?

Sehr freundlich begrüssten uns die Architektin Anntraud Torggler und die Bauherrin und Bewohnerin Irmgard Scholl. Sie führten uns durch das einmalige fünfeckige Zweifamilienhaus. Der zweistöckige, gut gealterte Lehm-Holzbau liegt schön eingebettet in den Obsthainen am nördlichen Dorfrand von Morter. Das Bauwerk ist in Holzständerbauweise mit Pultdach und mit Lehmausfachungen gebaut. Der südseitige zweistöckige Wintergarten bringt viel solare Passivwärme ins Haus. Die Lehmbauarbeiten wurden grösstenteils im Selbstbau und unter meiner Anleitung erstellt. Die Aussenwände bestehen aus einer 6cm dicken Schilfrohr-Aussendämmung mit einer 30 cm Holzleichtlehm-Stampfmischung und die Innenwände sind mit selbsthergestellten massiven Lehmsteinen ausgemauert. Alle Wände wurden sehr sorgfältig mit Lehmputzen versehen, die bis heute ihre Qualität erhalten haben.

Besuch Haus Pohl in Latsch mit Reinhold Holzer
Rainer + Arwed,
..... und wie war der Gegensatz mit dem Öko-Neubau Baujahr 2019 von Reinhold Holzers Tochter?

Rainer: Der Gegensatz war so, dass er nicht grösser hätte sein können, im Vergleich zum unglaublich wohnlichen und
eingegrünten Haus in Morter.
Arwed: Das dreistöckige Reihenhaus, in einem typischen Neubaugebiet, steht blendend weiss im „Neubauschick“ da.
Von aussen und innen wirkt es sehr reinlich, verglichen mit dem Vorprojektbesuch, klinisch nüchtern.
Dem Eindruck nach, fühlt sich die Familie mit ihren Kindern unter dem Dach, mit dem lebendigen Kinderspielbereich wohl am wohlsten. Die natürlichen Materialoberflächen unterstützen diesen Eindruck nachhaltig.

Tag 3 – Montag, 2. Oktober 2023

  • St. Martin Passeiertal (Margareta Schwarz Arch.) viel Lehm sehen, Austausch + Lunch
  • mitnehmen: Anntraud Torggler eh. Arch + Lehmbauerin der "ersten Stunde in Südtirol"
  • Agriturismo Öko-Holzhaus Fam. Zorrer + daneben: neues EFH, Brettstapel Lehm etc. (Daniele Gosetti) (org. Reinhold Holzer)

 

Besuch Architektin Margareta Schwarz in St.Martin im Passeiertal
Rainer,
Wir wurden am Wirkungsort von M.S. empfangen. Was waren die Eindrücke?

Ich kenne Maragreta schon viele Jahre und habe mir nie richtig vorstellen können, wie und wo sie wirkt. Sie ist, wie sie
selber sagt, von Strohballenbau „angefressen“ und bringt diesen fast in jeder Form in ihren Bauten ein. So auch im
Blockanbau des dreigeschossigen eigenen Hauses in St. Martin. Im Anbau wurden innen „halbe“ Strohballen
angebracht und mit Lehm verputzt. Auf den Balkonen kamen die Strohballen aussen drauf und wurden mit Kalk verputzt. NB. den Lehmbau lernte M.S. 2006 im lasttragenden Strohballenhaus in Wahlen/BL an einem Workshop der
IG Lehm kennen. Seit dann baut sie Lehm regelmässig in ihren Bauten ein, verarbeitet ihn aber nicht selber. Was auffällt ist, wie Margareta grosszügig bei der Verarbeitung des Lehms ist. Da werden Anschlussdetails viel toleranter behandelt als bei uns. Unter der raffiniert und mutig gelösten Strohballen-gedämmten Dachkonstruktion wird der Ausbau DG-Wohnung in der nächsten Zeit angegangen. Margareta ähnelt in ihrer experimentierfreudigen künstlerischen Art sehr an Werner Schmidt, den sie immer wieder bei Projekten zuzieht. Aber die weibliche „Handschrift“ ist unverkennbar.
Um Mittag wurde uns dann ein wunderbarer Tiroler Lunch mit feinem Brot, Käse und Trockenfleisch Tomaten
Getränken u.a.m. als Dank offeriert, dass Margareta bei der IG Lehm den Lehmputz kennengelernt hat. Während dem
„Futtern“ erhielten wir noch Einblick in Bilder ihrer Bauten. Die Zeit war eigentlich zu knapp bemessen, was wir alle sehr
bedauerten. Erfreulich war auch, dass Anntraud Torggler mit uns mitkam.

Besuch Haus Zorer in Montes Val di Sole und daneben Kontrapunkt Haus des Geometers Gossetti (beide neu)
Claudia,
Ein ausserordentliches B&B Projekt, voll Gastlichkeit + schönen Details und was ist Haus Gossetti im Gegensatz?

„Sie werden sich fühlen, als wären Sie an einem magischen Ort angekommen, ausserhalb der Zeit und ausserhalb der Welt“
Dieser Satz steht an erster Stelle in der Homepage vom Haus Zorrer B&B „Maso le Mosne“ in Montes im Val die Sole
auf 1200 m.ü.M. und ist es ist wirklich so!
Ein wunderbarer Ort mit wunderbaren Menschen und einem liebevoll umgebauten alten Stadel. Alles selbst gemacht,
geplant, gebaut und ausgeführt von Paulo und seiner Frau Marianna, begleitet und beraten von Reinhold Holzer.
Wunderschöne Zimmer für das B&B mit liebevoll gestalteten Details, das 200-jährige Holz vom Stadel, welches
teilweise von einem Brand noch schwarz ist, wurde verbaut und in den Zimmern integriert und sehr stimmig mit Lehm
verputzt wurden. Das ergibt einen sehr wohnlichen Kontrast, ich wäre am liebsten gleich ein paar Tage geblieben. Dazu
die Stille und der Blick ins Tal. Einfach hinreissend! ....und noch dazu ein sagenhaftes Z’Vieri mit einem Buffet, das alle
Vorstellungen sprengte.

Der Gegensatz war dann ziemlich gross, als wir das Haus Gosetti, gleich in der Nachbarschaft, besichtigen konnten.
Es war eher nüchtern und kühl gehalten, mit dem gleichen Aufbau der Wände wie im Maso le Mosne, auch ein
baubiologisches Klimahaus, aber sehr streng und nüchtern im Ausbau, ein modernes Haus eben, ohne viel Caché.
Das Haus hinterliess bei mir einen etwas merkwürdigen Eindruck. Ich fühlte mich nicht so wohl wie im Haus Zorrer.

Tag 4 – Dienstag, 3. Oktober 2023
Oberradein Gegend mit Reinhold Holzer

  • Naturalia-Bau, Natur-Baustoffhandel Meran Süd
  • Oberradein alter Bauernhof "Mansuethof" Fam. Vescoli (Arch. Zeno Bampi) (org. Reinhold Holzer)
  • Isihütte von Isolde Dal, altes Kurbad Lehmbau etc. / Mittgessen+ tolle Aussicht (org. Reinhold Holzer)

 

Besichtigung NATURALIA-BAU GmbH (Co-Geschätsführer Roland Gabasch)
Georg,
Ein Naturbaustoff -Supermarkt: was hat dich am Bau beeindruckt + wäre das der Weg für heutige Baustoffhändler?

Roland war sehr auskunftsfreudig und schilderte uns seinen Werdegang, bis hin zum Bau des heutigen Büro- und
Ausstellungsgebäudes. Beim Eintritt hatten wir ein „OOOhhh-Erlebnis“, denn man steht in einer orientalisch anmutenden,
hohen, mit farbigen Lehmputzen verzierten Halle.
Der Verkaufsraum ist mit Mustern in Original-Größe, verschiedener Wand- und Dachkonstruktionen bestückt. So ist es möglich, den Kunden anhand des Musters ihren persönlichen Aufbau genauestens zu erklären. Vorbildlich!
Die NATURALIA-BAU GmbH verkauft ausschliesslich Naturbaustoffe, was sehr zukunfts- und wegweisend sein könnte.

Besuch Mansuethof von Philipp Vescoli Biobauer und Zimmerer in Oberradein Renovation Jahr 2018
Ursula,
Ein historischer Bauernhof mit Hofbar + vielen schönen Details: was überzeugte dich am Sanierungskonzept?

Der aus den 1280er Jahren stammende Mansuethof von Familie Vescoli liegt auf 1560 m.ü.M. Des Hof-Bauern Sohn Philipp hat aus diesen alten Mauern etwas ganz Besonderes erschaffen. Er baute den alten Kuhstall mit Gewölbe-Decke zu einem Eventraum um, das ehemalige Tenn in eine grosszügige Küche und in einem weiteren Raum wurde eine gemütliche Bar mit Loge im Freien eingerichtet. Alles in Lehm wunderbar umgesetzt und mit zahlreichen liebevollen Details ausgarniert. So findet man z.B. am Boden anstelle einer Sockelleiste ein Seil, alte Kuhtränken und Schellen wurden zu Lampen umfunktioniert, diverse alte Gerätschaften zieren die Räume, die Bar ist aus Altholz gezimmert. Auch die Küche wurde konsequent in Lehm „getaucht“, im Spritzwasserbereich schützt eine Glaswand den Verputz. Der besondere Blickfang war aber das grosse „Schaufenster“ am Ende des Eventraums. Neugierige, gehörnte, glückliche braune Mutterkühe können durch dieses Fenster beobachtet werden....oder werden wir von ihnen beobachtet? Wir wissen es nicht. Auf jeden Fall ein fantastischer Ort in der Abgeschiedenheit der Südtiroler Berge!
                                                                                                                              
Besuch Isihütte von Isolde Daldoss in Oberradein
Helen,
Restaurant in der Skiarena, fein konzipiertes Architekturwerk von Arch. Zeno Bampi: was war für dich speziell?

Mich hat der einfache, klare Holzbau mit seinen feinen Proportionen sehr beeindruckt. Vor allem die auf drei Seiten filigran verglaste Gaststube ist mir in Erinnerung geblieben. Die schlichte Eleganz dieses Ortes, umgeben von Wiesen und
Wald – im Winter dann von Schnee und Licht – trug das ihre bei zum Genuss des vorzüglichen Mittagessens, welches Isolde für uns hinzauberte. Gulasch mit Knödel für die Fleischesser*innen und 3-Knödel Variante für die anderen mit lokalem Wein.

und daneben 2-3 hundertjähriges ehemaliges Kurbad mit Kapelle von 1858
Caroline,
An diesem Ort wurden vor 2-3 Jahrhunderten  "Lepra" Patienten behandelt ..... war das noch spürbar?

Das bescheidene Gebäude mit angrenzender Kapelle am Berghang deutet nicht auf einen Bauernhof hin.
Im Erdgeschoss sind die Fenster hoch angeordnet, da der Einblick wahrscheinlich nicht erwünscht war.
Im Innern des Hauses, im Erdgeschoss hausten die Leprakranken. Heute ist der eine grosse Raum unordentlich, vollgestellt mit Gegenständen vom Umbau. Hier standen vermutlich die fest eingebauten Betten aus Holz, aneinander gereiht wie Kojen.
Im hangseitigen Raum an der langen Aussenmauer befindet sich eine grosse Feuerstelle mit Kamin und Ausbuchtung nach
aussen. Links von der Feuerstelle liegt ein kleines Becken aus Stein, wo das Quellwasser ins Haus eingelassen wurde. Dieses konnte direkt über dem Feuer für die Bäder erwärmt werden. Von den Bädern habe ich im Raum nichts entdecken können. Vom Erdgeschoss führt eine Tür direkt in die Kapelle deren Apsis nach Osten gerichtet ist. Ich hoffe, dass in einer weiteren Umbau-Etappe diese Räumlichkeiten wieder hergestellt werden. Der obere Teil ist für die Familie des Besitzers bereits umgebaut worden.
Die Lage des Gebäudes an diesem verlassenen Ort ist besonders. Abgeschieden, verbannt und isoliert wurden die zum Tode geweihten Leprakranken als Aussätzige behandelt. Um das Ansteckungsrisiko zu vermeiden aber auch um ihre entstellten Gesichter und Körper nicht zeigen zu müssen, Angehörige waren somit nicht gezwungen diese anzusehen. Als Grund für die Krankheit galt damals Sündhaftigkeit und Bosheit der Menschen, eine Strafe Gottes. Der direkte Zugang vom Haus zur Kapelle ermöglicht, diese ungesehen zu betreten.
Die Kapelle wurde mit EU- Staatsgeldern restauriert. Ihr Inneres ist karg und lieblos mit Lehmverputz an den Wänden?
Hätte ich die Vorgeschichte des Hauses nicht von Reinhold Holzer erzählt bekommen, ich spürte nichts, keine Tragik des
Hauses in dieser wunderschönen Landschaft. 

Tag 5 – Mittwoch, 4. Oktober 2023
via Lago di Garda Gargnano

  • Austausch mit Siegfried Camana, Gründer ANAB (1. italienische Vereinigung für Baubiologisches Bauen, hatte eine Akademie für baubiologische Fortbildung in Mailand)
  • gleichzeitig Besichtigung Zitronengarten "Limonaia Fondo Crocefisso"

 

Besuch bei Architekt + Dottore Siegfried Camana (84)  + Limonaia Zitronengarten in Gargnano am Gardasee
Lisa,
Unser Treffen + Zusammensein mit der 84-j. Baubio-Koriphäe: was beeindruckte dich an diesem Tag ohne Lehm aber mit Zitronen?

Wir trafen Siegfried im Haupthafen von Gagnano und er führte uns mit sanfter Stimme direkt in die Geschichte des
Ortes ein. Der äusserst sympathische und im Ort wohl bekannte Dottore freute sich sehr über unsern Besuch und führte uns zu hervorragendem Essen und geselligen Zusammensein in die Osteria al Porto di Villa, am südlichen Nebenhafens direkt am See. Leider hatten wir zu wenig Zeit, um Siegfrieds Haus oberhalb des Dorfes zu besuchen. Das verschieben wir auf ein ander Mal......

Der Besuch der Zitronengewächshäuser Limonaia la Malora in Gargnano am Gardasee mit wunderschöner Aussicht über den Gardasee und das Örtchen Gargnano.
Der Anbau von Zitronen am Gardasee geht auf Benediktiner Mönche im 13. Jhdt zurück und erreichte seinen
Höhepunkt Mitte des 19. Jhdts. Aus dieser Zeit sind einige alte Gewächshäuser erhalten geblieben, immer noch ihrer
ursprünglicher Funktion dienen, nämlich dem Anbau von Zitrusfrüchten.
Der Besitzer der Limonaia Malora, Giuseppe Gandossi, der die Verantwortung von seinem Vater übernahm, führte uns
durch die am Steilhang angelegten Anbauterrassen, vorbei an bis zu 130 Jahre alten und bis zu 8 m hohen
Zitronenbäumen. Da die Früchte und Bäume Temperaturen unter 4°C nicht ertragen, müssen sie mit einem
ausgeklügelten System vor Kälte geschützt werden. Mit Bretterschichten als Dach und gegen Süden gewandten hohen Fenstern werden sie in ein Gewächshaus verwandelt. Bei längeren Kälteperioden müssen in den Gewächshäusern ab und zu kleinere Feuer entfacht werden um die Bäume vor dem Erfrieren zu schützen. Der daneben liegende Bach liefert
das Wasser, welches mit „Suonen“-ähnlichen, in die Mauer integrierten Kanälen zu den Terrassen gelangt.
Nach der sehr interessanten Führung durften wir dann einige der vor Ort hergestellten Produkte wie Limoncino (süss
und amaro), Limonensirup, Konfitüren, Zitronensenf, etc. degustieren. Weil wir Freunde von Siegfried waren, mussten
wir keinen Eintritt bezahlen. Dafür durften wir uns mit den Leckereien eindecken, also kaufen.
Der Besuch war absolut lohnenswert!
Im Anschluss und vor der Seequerung mit der Autofähre von Maderno nach Torri, benutzten einige von uns
noch, im Lago ein Bad zu nehmen. Mit etwa 21°C war Wassertemperatur äusserst erquickend!

Tag 6 – Donnerstag, 5. Oktober 2023

  • Besuch bei WASP, Lehmbau aus dem 3D-Drucker
    Partner Margherita Camporesi (Ital./Eng.)

 

Vor der Weiterreise nach Massa Lombarda machten wir nach dem Zmorge ein kurzen lohnenswerten Abstecher zum
historisch-romantischen Ortsteil Borghetto sul Mincio.

Besuch W.A.S.P. in Massa Lombarda
Bericht Patrick und Anikò kombiniert,
Besuch des Ateliers + den Musterdrucken in Kalk + Lehm: was erlebtet ihr und ergibt sich für euch daraus eine Zukunftsperspektive?

Wir hatten die Gelegenheit, die Firma WASP östlich zwischen Bologna und Ravenna zu besichtigen. WASP wurde vor über 20 Jahren von Massimo Moretti (gelernter Elektroniker) gegründet und ist auf die Herstellung von 3D-Druckern spezialisiert. In ihrer Industriehalle ist alles unter einem Dach vereint: Forschungsteam etwa 30 meist jüngere Leute, die Ausstellung der Drucker sowie Druckmuster aus verschiedensten Materialien, Farben und Formen, und die Versuche, verschiedene Material Mischungen für Lehmwände zu testen. Ein äusserst spannender und kreativer Ort.
WASP hat einen grossen Kundenkreis für 3D Druck Produkte. So sind z.B. BULGARI und DIOR, die Hersteller von
Luxusprodukten, gute Kunden und verschaffen WASP, wie es scheint, die finanzielle Basis.
Die Ausstellung zeigt die grosse Vielfalt an Designmöglichkeiten (z.B. ein Stück der Wand des Dior Stores in Dubai, mit dem Dior-charakteristischen Cannage-Motiv)
Seit etwa 10 Jahren forscht Massimo auch an grossen 3D-Druckern, um Häuser aus Kalk und Lehm zu drucken. Auf
dem Aussengelände steht das vor 7 Jahren gedruckte runde Modellhaus mit Fensteröffnungen und einem überstehenden 9-eckigen Flachdach. Dieses sitzt auf der innen stehenden Holz-Tragkonstruktion. Die Fassade der gedruckten Lehmwand ist statisch unabhängig und hat eine angenehme Wellenform. Sie wurde unverputzt und unbehandelt belassen.
Die Lehm-3D-Drucker werden seit etwa einem Jahr vermarktet. Die Idee von WASP ist, den 3D-Drucker direkt auf dem Bauplatz aufzustellen um die Wände des Neubaus vor Ort herzustellen. Ihr Ansatz besteht darin, keine Lehmsteine oder vorgefertigten Elemente herzustellen und auf die Baustelle zu liefern, sondern die Wände direkt am Ort zu „drucken", wo sie benötigt werden. Pro Standort können Räume mit einem Durchmesser bis zu etwa 8 Metern „gedruckt" werden. Der neu entwickelte „Crane Drucker“ zeigt, dass er vielfältiger verwendbar wäre, als das bisherige Modell mit den drei Konstruktionsgestellen.
Derzeit laufen Tests, den natürlichen Baustoff Lehm in verschiedenen Materialmischungen zu optimieren.
Versuche, mit Zuschlägen von Kalk und Marmorsand werden durchgeführt, um die Witterungsbeständigkeit zu verbessern.
Auch Versuche mit Reisstroh und Reisspreu als Lehmzuschlag oder als Dämmmaterial Füllung der Wandelement-Hohlräume werden derzeit getestet.
Die Drucker könnten, laut Aussage von Massimo Moretti, auch fein zerkleinertes Baurecycling Material wiederverwenden, indem es zu einem neuem Baumaterial weiter prozessiert wird. Der Weg ist, Geopolymere mit Lehm (Vergleich mit OXARA) zu mischen. Die Forschungs- und Entwicklungsphase von WASP bestimmt den Alltag.
Massimo Moretti erklärte uns auch seine Vision anhand eines kleinen Architekturmodells das «Itaca Projekt, eine
Mandala förmige Anlage mit einem nahezu autarken Gebäude, das aus Lehmwänden, einem Dach mit Photovoltaik Paneelen, Fassadenbereichen, in denen Vegetation wachsen kann, und zugleich auch die Regenwasser Nutzung integriert ist. Seine Idee hört nicht an der Haustür auf, sondern umfasst auch einen Permakultur Garten. Es wird spannend sein zu verfolgen, welche Ideen Massimo noch entwickelt und umsetzt.
Anikò: Ich finde dieses „Itaka“ ein Traumprojekt und ich wünsche uns, dass es ein Vorbild für weitere ähnliche
Projekte sein wird. Ich war vom ganzen WASP-Besuch sehr beeindruckt.
Massimos Einladung zum Mittagessen in der nahen Trattoria Roberto war so ausserordentlich gut, dass wir gerne noch länger sitzen geblieben wären.... danach besuchten wir das in feiner Hügellandschaft liegende „Itaka“-Baugelände ausserhalb Imola, wo das Projekt in Kürze realisiert werden soll. Der Bulldozer schob schon das Gelände in feinstem hellockerfarbigen Lehm.

Anikò,
Du kanntest den 3D-Druck schon aus Ungarn

Ja, ich kannte WASP bereits aus Ungarn, wo ich an einem Workshop über das 3D-Drucken mitmachen konnte. Wir bauten die erste 3D gedruckte Lehmsauna, eine kreisförmige mit einem sich kontinuierlich verjüngenden Querschnitt. Das ungarische Ökodome-Team arbeitet mit grosser Entschlossenheit an der Optimierung der Computersteuerung, die die Zufuhr des kontrollierten Materials von der Betonpumpe zum Extruder auf möglichst ästhetische und effektive Weise koordiniert. Als nächstes Projekt planen sie den Druck eines Einfamilienhauses, und sie entwickeln eine Methode, um mit 3D-Druckern Fenster und Möbel aus „Holz“ (Sägemehl und Biokomposit) zu drucken.

Am Abend fanden alle individuell oder zusammen ihren Weg durch die stimmige Altstadt mit ihren unzähligen Arkaden der stimmigen Altstadt Bolognas

 

Tag 7 – Freitag, 6. Oktober 2023

  • ganzer Tag freie Verfügung für Stadtbesichtigung Ravenna oder Bologna

Tag 8 – Samstag, 7. Oktober 2023
Individuelle Rückreise

Ein Tag zur freien Verfügung bei wärmsten Wetter mit Besuch der vielen schönen Winkel, Markthallen und offenen
Märkte und am Abend feines gemeinsames Abschluss-Nachtessen in der Trattoria „Pane e Panelle“

Die Heimfahrt in individuellen Fahrzeugen ab Bologna zurück in die Schweiz, nicht im Konvoi, aber wir trafen uns kurz
vor Bellinzona zur offiziellen Verabschiedung vor den Autofahrten nach Zürich, Basel und Bern.

Dank
An dieser Stelle seien die Fahrer Daniel, Georg und Rainer herzlich verdankt, dass alles so reibungslos ablief. Einmal abgesehen vom Plattfuss am Prius ganz an Anfang in Langtaufers....


Weiter danken wir allen wunderbar kooperativen Partner*innen unserer Studienreise, namentlich Reinhold Holzer, Anntraud Torggler, Margareta Schwarz, Margherita Camporesi und Massimo Moretti für ihre kompetente Begleitung und Beratung.
Weiter gebührt auch allen Besuchten unserer Besichtigungsorten grossen Dank für die freundlichen Empfänge und die grosse Gastfreundschaft, und den überall guten offenen Austausch, welche unsere Gruppe erfahren durfte.
Wir haben es genossen und haben unser Gepäck mit vielen guten Erlebnissen und bereichernden Begegnungen übervoll gefüllt.


Rainer Hettenbach und alle Teilnehmer*innen mit ihren Kommentaren, Therwil, 19. Oktober 2023

Veranstalter

IG Lehm Fachverband Schweiz
Organisation:
Rainer Hettenbach

Ort

Südtirol & Massa Lombarda