Forum Zukunft Lehm // BE

08. Juni 2024

Zukunftsthemen Lehmbau

Austausch, Impulse und Entwicklungen im und um den Verein IG Lehm. Diskutieren und Mitwirken!

  • Samstag, 8. Juni 2024, 13:30-17 Uhr
    Schlössli Schüür, Kirchdorf BE

Lokalforum Bern

Einladung Lokalforum Kirchdorf

Programm
13:30 Eintreffen mit Begrüssung durch den Vorstand IG Lehm

14:00 Vorstellung Umbauprojekt «Schlössli-Schüür»
Roman Droux, Geschäftsführer Stalldrang GmbH, stellt das atemberaubende Umbauprojekt der Schlössli-Schüür zum nachhaltigen 30 Personen Haus vor.

14:45 - 17:00 Forum

 

 

Zukunft Schlössli-Schüür

Bericht zum Projekt der Gastgeber vor Ort

Für die Zusammenkunft aktiver Mitglieder zur Zukunft Lehmbau und IG Lehm fand sich ein wahrlich besonderer Ort, der auch gebührend Platz bekam und seine Zukunft gestaltet.

Durch zwei schmucke Torpfeiler hindurch, entlang der kiesbedeckten Auffahrt gelangt man zum alten Landschlössli. Geschätzt vererbt und durch eine motivierte, innovative Wohngemeinschaft neu belebt, birgt das Anwesen in Kirchdorf (BE) grosses Potential. Tritt man durch das Haus hindurch, hinaus in den riesigen, von einst adligem Besitz noch zeugenden Garten, erblickt man erst die überragende Schlössli-Schüür und das ganze Landgut.
Die Schlössli-Schüür ist mit ihren 325 Jahren die grösste, noch erhaltene Scheune im Kanton Bern. Von der Strasse aus, der Hanglage geschuldet, kaum zu sehen, wendet sie sich mit ihrer gesamten Gebäudehöhe von 18m hinter dem Schlössli weitem Weideland und benachbarten Bauernhöfen zu. Zwei belichtete, massive Untergeschosse bilden das Fundament, worauf eine riesige Scheunenhalle mit einer Grundfläche von 45 x 14 m thront. Immenses Bauvolumen seit Jahren ungenutzt.
Dies zu ändern ist das Ziel von Filmemacher Roman Droux und seinem Team. Er ist Geschäftsführer der Stalldrang GmbH, WG-Mitglied im Schlössli, führt uns über das Grundstück und erzählt: „Damit die Schlössli-Schüür erhalten und wieder erlebbar werden kann, wurde Jahre lang konzipiert, um sie zu einem Ort der gelebten Nachhaltigkeit auszubauen. An diesem Ort soll gemeinschaftlicher, integrativer und ökologischer Lebens-, Arbeits-, Kultur-, Bildungs- und Erholungsraum entstehen.“

In jahrelanger, enger Zusammenarbeit mit der kantonalen Denkmalpflege wurde Schützenswürdiges inventarisiert und dann sorgfältig alle „Bausünden“ rückgegebaut. In der nun freigelegten, denkmalgeschützten Gebäudesubstanz entsteht unter dessen eindrücklichem Dachstuhl ein Tiny-House-Dorf mit gemeinschaftlich genutzten Flächen. Neben einer grossen Gemeinschaftsküche, einer privaten Ludo- sowie Bibliothek, Co-Working-Spaces und ergänzend Aufenthaltsbereiche im Zwischenklima wird dagegen der eigene Wohnraum bewusst reduziert. Der private Rückzugsort wird zu Einheiten à 20m2 pro Kopf minimiert und im Hinblick auf eine gute Durchmischung verkauft oder vermietet. Es gibt Extra-Einheiten als buchbare Gästeunterkünfte oder sogenannte Joker-Einheiten, welche sich für jede Lebenssituation flexibel ergänzen lassen, um so ein Zusammenleben über die Generationen hinaus zu fördern. Neben Wohnraum trägt die Stalldrang GmbH unter diesem einen Dach mit einem kleinen Café, Raum für kulturelle Programme und drei Chambres d’Hôtes als B&B auch Wertvolles zum öffentlichen Dorfgeschehen der Gemeinde Kirchdorf bei. All das auch mit dem Hintergedanken, diesen Ort der Spekulation zu entziehen.

In der Umsetzung und der Nutzung wird konsequent versucht Stoff- und Energiekreisläufe zu schliessen. Unter Anderem werden beim Bau ausschliesslich rezyklierte oder rezyklierbare Materialien verwendet und hier kommt der Lehm zu seinem grossen Auftritt.
Manuel Bühler mit dem regionalen Lehmbauunternehmen a mano entwickelt eine Konstruktion mit Korklehmsteinen für das neue Haus-in-Haus-Prinzip der Schlössli-Schüür. Durch regionale Sammelaktionen werden Tonnen Korkzapfen gesammelt, welche in der Feldfabrik wenige hundert Meter von der Schüür entfernt zu Korkschrot verarbeitet,dem Lehm beigemischt, zu Korklehmsteinen verarbeitet, also gepresst und getrocknetwerden. Der "Lätt" stammt aus dem nahen Gürbental und Belp und führte aufgrund der zeitlichen Verfügbarkeit des Rohmaterials zu unterschiedlichen Mischungen.
Mit Abstand zur bestehenden Schüür-Aussenwand werden grosszügig hinterlüftet Holzständer-Wände gestellt, mit Korklehmsteinen ausgemauert, mit Schalung versehen und zusätzlich mit 15cm Korkgranulat gedämmt. Je nach Abschnitt wird die kompostierbare Konstruktion durch Lehmplatten ergänzt z.B. zum Zwischenklima hin und für den Brandschutz (aufgrund differenzierter, sinnvoll ermöglichender Zuständigkeiten im Kanton Bern), oder mit einer schützenden Holzschalung abgeschlossen. Das Holz für die Bauarbeiten stammen grösstenteils aus dem eigenen Waldabschnitt hinter der Schüür. Als Streifenfundamente werden alte Bahnschwellen wiederverwendet, das ehemalige „Bschütt“-Loch dient mit Kalkputz abgedichtet als Zisterne oder der Bschüttkanal entlang der Fassade fungiert als neuer Leitungsverteiler. Aus dem regionalen gräulichen Lehm entsteht mit einem Teil Ziegelmehl als Zugabe ein Lehmputz in harmonischem Rotton für die fertigen Oberflächen undwird, wo notwendig, für den ganzjährigen Komfort mit einer Wandheizung aufgerüstet. Für die bauphysikalischen Aspekte wurde eine  forschungsbezogenen Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern und zum autarken Wasserkreislauf mit der ETH Zürich eingegangen.

Die Bauarbeiten sind diesen Sommer gestartet und das zukunftsorientierte, ressourcenschonende Grossprojekt gedeiht. Der wertvollen, betagten Schlössli-Schüür und dem ganzen zugehörigen Anwesen wird neues Leben eingehaucht. Die Suche nach Interessierten, Beteiligten und Bewohnenden ist im vollen Gange. Sofern alles rund läuft, sind die ersten Wohneinheiten 2027 bezugsbereit. Umfängliche Informationen sind auf der Stalldrang-Website zu finden und werden laufend aktualisiert. Sofern also nicht gerade schon selber eingezogen, können alle Interessierten die Schlössli-Schüür sicher in Zukunft mit einem Besuch, anhaltende Bewunderung und weiterhin solch rücksichtsvolle, grosszügige Wertschätzung solcher Bausubstanz beglücken.

Nadine Janesch, 27. Juli 2024

 

Korklehmstein

  • Rohdichte 600kg/m3
  • 4.5kg/Stein
  • Nut-Feder-Prinzip Formsteine
  • 0.15 U-Wert erreicht
  • Voll- (54x12x …cm) und Halbstein

weitere Foren (save the date)

  • Samstag 26. Oktober 2024, nachmittags
    Region Basel
  • Samstag, 16. November 2024 (ev.), nachmittags
    Region Ostschweiz
Beteiligte Firmen
Veranstalter

IG Lehm Fachverband Schweiz

Ort

Kirchdorf BE