Lehm und Stahl integral
15. April 2023
Gesundes Wohnen
Besichtigung und Baustellentreff Erweiterung Wohnhaus
Am Ortsausgang ist ein ungewöhnliches Einfamilienhaus am Entstehen. Das Tragwerk bildet eine Stahlkonstruktion aus handelsüblichen IPE- und HEA-Profilen. Kombiniert wird der Stahlbau, Innen und Aussen mit einer Vielzahl an Baustoffen auf Lehmbasis. Wie ist es zu der eher ungewöhnlichen Disposition gekommen?
Die Fragestellung ist alltäglich. Das erworbene EFH hat einen Modernisierungsbedarf und die Platzverhältnisse sind für die junge Familie zu knapp. Neben der Erweiterung gibt es auch den Wunsch nach einem gesunden Wohnen. Schädliche Materialien sollen vermieden und ein gutes Raumklima soll erreicht werden.
Schnell steht fest, dass sich Lehm dafür bestens eignet und auch Masse bringen kann, die der Tragkonstruktion fehlt. Unter anderem aus gestalterischen und ökonomische Gründen entstand hier dann eine neue Partnerschaft zwischen dem schweren Lehm und einem leistungsfähigen und leicht wirkenden Stahl.
Bericht zu Baustellenbesichtigung
Wir lernen eine frische, neu entstehende Beziehung zwischen Lehm und Stahl kennen.
Der eigenständige Erweiterungsbau schliesst direkt an ein Wohnhaus der 60er Jahre an. Aussen sichtbar: ein Übergang von Eternitschindeln zu Lehmbausteinen. Das ist eine Ansage!
Als geschwisterlicher Nachbar macht die Bauherrschaft mit dem Anbau einen Schritt hin zur nachhaltigeren Bausubstanz.
Mit der Ambition den Lehmbau mehr in den Systembau zu integrieren, ihn seriell im Werk vorzufertigen und so wirtschaftlicher zu machen, entwickelten die Architekten und die Ingenieure gemeinsam die Gebäudekonstruktion. Im Vordergrund steht dabei der einfache Rückbau und die damit verbundene Wiederverwendung der verwendeten Bauteile aus stabilisiertem Lehm von Terrabloc.
Inspiration fand man in historischen Konstruktionsdetails von Lehmsteinkuppeln und Hurdis-Decken mit Holz oder Stahl als tragende Komponente.
Im Beispiel von Volketswil fungieren Lehmblöcke, zu Formstabilität mit einem Anteil Zement gemischt, als lose Einschübe in der Decke, eines einfachen Stahlgerüsts aus HEB- und IPE-Standardprofilen. Sie bringen Masse ähnlich einer herkömmlichen Betondecke. Durch geringe Brandschutzanforderungen im EFH schafft die sichtbare Fügung der Rohmaterialien eine anschauliche Deckenuntersicht. Die gleichen Steine hochkant verlegt, dienen sodann auch als schützende Vormauerung in der selbsttragenden Fassade. Im Innenleben des Neubaus bilden schmale Lehm-Formsteine die Raumtrennwände und warten noch auf den Lehmputz. Lehmplatten mit Lehmdeckputz verschönern die wohnlichen Innenoberflächen der Aussenwände.
Wie also vorfabrizierte Lehmprodukte dieser Orts Verwendung finden, zeigt das Potenzial für das breitere Bauen mit Lehm und schafft Möglichkeiten zum Weiterdenken. Auch die Vergleiche der Konstruktionsweisen hinsichtlich Energie und Kosten und eine kritische Betrachtung des modernen Holzbau ergaben vielschichtige Einsichten.
Anschliessend an den interessanten Input der Architekten wurde das Thema von den 17 Versammelten beim Erkunden der Baustelle und beim lässigen Apéro-Wägeli am Baustellenzaun weiterdiskutiert, vielfach auch hinsichtlich der Verwendung von Stabilisierung im Lehmbau, der Verwendung von Lehm im Aussenbereich oder der Rolle des Mörtels beim Vermauern.
Wir bedanken uns vielmals bei Demian Rudaz und Lars Reinhardt von Rudaz Architekten, sowie bei Jörg Habenberger von SEFORB s.à r.l Ingenieure für spannenden Beitrag sowie köstliche Verpflegung. Und einen herzlichen Dank an Christiane für die Organisation.
Nadine Janesch, 21. April 2023
Beteiligte Firmen
Veranstalter
IG Lehm Fachverband Schweiz
&
Rudaz Architekten
&
SEFORB sarl
Ort
Volketswil ZH