Baustellentreff Stampflehmhaus Grabs

18. April 2024

Baustellentreff

 

Datum/Zeit: Donnerstag, 18. April 2024/16.15 Uhr
Ort: 9472 Grabs, Mühlbachstrasse (neben Hausnummer 1)

Einladung

In den 1990er Jahren wurde das Gebäude als schützenswertes Objekt im Ortsbildinventar aufgeführt. Vor einigen Jahren wurde das Haus aus dann aus der Schutzverordnung entlassen und hätte abgebrochen werden sollen. Es handelte sich um ein weitgehend original erhaltenes Grabser Haus von hohem Alter, das unbedingt erhalten werden sollte. Die Architekten Timothy Allan und Ronan Crippa haben ihre Abschlussarbeit an der ETH mit dem Ziel verfasst, einen Rückbau am alten Standort und den Wiederaufbau an anderer Stelle zu untersuchen. Daraus entwickelte sich ein reales Bauprojekt, in dem sich ein weiteres Gebäude, ein Neubau aus Stampflehm, dazugesellte. Diese spannende Herangehensweise und Entwicklung einer Studentenarbeit in die Umsetzung - unter den Gesichtspunkten Erhaltung, Wiederverwendung und Bauen mit Lehm - verschmelzen aktuelle Bauthemen. Zur Zeit werden gerade die Stampflehmwände, hergestellt von LehmTonErde, versetzt. Andreas Hörl, Planer bei LTE (LehmTonErde), informiert uns dazu vor Ort. Ein eindrücklicher Zeitpunkt, um das Areal zu besichtigen. Die Architekten erläutern uns die Konstruktionsweise und erklären uns die faszinierende Nutzung und räumliche Qualität des neuen Ensembles.

 

Projekt Gässli5 der Architekten

Berichte zur Besichtigung

Ronan Crippa von Allan und Crippa Architekten führte uns durch die bemerkenswerte Baustelle im St. Galler Rheintal, in der Ortschaft Grabs. Das Interesse war gross, und viele der angemeldeten TeilnehmerInnen brachten noch weitere Freunde zur Besichtigung mit.

Ronan erläuterte, wie im Dorf ein historisches Gebäude stand – ein weitgehend original erhaltenes Grabser Haus von beträchtlichem Alter, das unbedingt bewahrt werden sollte.
Dennoch wurde es aus der Schutzverordnung entlassen und zum Abbruch freigegeben. Die Architekten retteten das alte Haus und entwickelten daraus ein einzigartiges Projekt. Der Strickbau soll einige hundert Meter vom ursprünglichen Standort entfernt zu neuem Leben erweckt werden. Der Rückbau dauerte etwa 1,5 Wochen, und der Wiederaufbau erfolgt am neuen Standort im Dorf. Der Holzbau wurde originalgetreu am neuen Standort wieder aufgebaut. Holzelemente, die nicht mehr verwenden werden konnten, wurden originalgetreu nachgebildet und ersetzt. Auch die mechanisch faszinierenden Schliesssysteme der Schiebefenster sowie die von unten nach oben schiebenden Fensterläden wurden originalgetreu rekonstruiert.

Angebaut entsteht ein zweites Bauvolumen - aus Stampflehm. Der leicht schräg zum Holzbau abgedrehte Neubau in Stampflehmbauweise ergänzt den Strickbau harmonisch. Der Lehmbau, ebenfalls mit einem Giebeldach, weist stattliche Mauern auf, die im Erdgeschoss 80 cm stark sind und sich im ersten Obergeschoss auf 50 cm reduzieren.

Andreas Hörl von LehmTonErde erklärt uns den Herstellungsprozess der vorfabrizierten Lehmelemente und wie die Holzdecke auf dem Rücksprung aufliegt. Die grossen Fassadenöffnungen des Lehmbaus wurden mit Betonträger überbrückt. Das Finish der Innenwände ist noch in Planung. Aussen bleiben die Stampflehmwänden in Sicht. Die Wandelemente wurden in der Lehmtonerde-Werkhalle vorfabriziert.

Die Umgebungsfläche soll zu einem üppigen Permakulturgarten werden, in dem ökologische Themen diskutiert werden und aufgezeigt wird, was Gartenbau mit unserer Ernährung zu tun hat. Den interessierten Besuchern werden diese Themen nähergebracht und Wissen weitergegeben. Der Holzbau bietet Aufenthaltsräume, während der Lehmbau Bildungs- und Seminarräume bereitstellt. Wir freuen uns den fertiggestellten Bau zu besichtigen und auch um im tollen Permakulturgarten schlendern zu können. Wir kommen wieder;-)

Patrick Krecl, 6. Juni 2024

Auch wenn uns das kühlnasse Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht hat – die Arbeiten auf der Baustelle waren eingestellt und die Mauern zugedeckt – bleiben doch überraschende Einblicke und hoffnungsvolle Aussichten.
Nach einer Einführung des Architekten Ronan Crippa zum Gesamtprojekt und einer Besichtigung des am neuen Standort errichteten mehr als 300jährigen Strickhauses, wies uns Andreas Hörl, Werkplanung bei Lehm Ton Erde Baukunst GmbH, auf verschiedene Details beim Stampflehm-Projekt hin.

Die Nutzung des Ensembles ist in erster Linie auf die Interaktion mit dem noch zu erweiternden Permakultur-Garten ausgerichtet. Im oberen Stock des Neubaus ist die einzige Wohneinheit vorgesehen. Allenfalls könnte sich auch noch eine Möglichkeit zum «Wohnen im Baudenkmal» auftun. Vor allem im Neubau wurde zudem auch nutzungsoffen konzipiert.

Beim alten Holzbau lag der Fokus bei der Bewahrung des Originalzustands, was insbesondere bei den niederen Deckenhöhen eindrücklich hervortritt. Die beabsichtigte Abgrenzung des Neubaus sollte durch ein mineralisches Material gelingen. Nicht nur passt der ausgewählte Stampflehm perfekt zum Permakultur-Gartenprojekt, auch entsteht eine Verbindung zum Holzbau durch die erzählenden Fassadenstrukturen der unterschiedlichen Baukörper.

Eine Publikumsfrage zum inexistenten Vordach beim Stampflehm-Bau machte klar, dass diese Diskussion geführt wurde. Aus architektonischen Gründen im Hinblick auf die Form des Holzbestandes sowie auf Anraten des Lehmbauers, wurde auf das zu mächtig wirkende Vordach verzichtet.

Andreas Hörl startete mit seinen Ausführungen im grosszügigen, etwas ins Erdreich gefügten einzigen Raum des Erdgeschosses. Auf den Betonboden wird hier abschliessend auch noch ein Stampflehmboden hinzugefügt. Die Wandstärke von bis zu 85 cm stellte auch für Lehm Ton Erde eine neue Erfahrung dar. Durch horizontale und vertikale Rücksprünge an der Fassade reduziert sich die Wandstärke bis auf minimal 55 cm. Zum Schneiden der Elementstücke mussten grössere Schneidblätter (1800 mm) gekauft werden und die Schneidmaschinen «rebootet/neu programmiert» werden. Im Hinblick auf Senkung der Produktionskosten wurden auch die Laibungen geschnitten und nicht auf Sicht gestampft. Auf der Innenseite der Aussenwände ist eine Hanfkalkdämmung vorgesehen. Jedoch wird in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich auch noch die Alternativvariante der monolithischen Stampflehmwand (innen mit Lehm verputzt, aber ohne Dämmung) geprüft. Die enorme Wandstärke ergibt auch eine überdurchschnittliche Energiespeichermasse, wessen Einfluss auf den Energiehaushalt eine Überprüfung geradezu herausfordert. Mit dem Gewicht von mehr als 4 Tonnen pro Stampflehm-Element gelangte die gewohnte Baustellen-Logistik an ihre Grenzen.

Patrick Krecl begrüsste die knapp 20 Teilnehmenden nicht nur, sondern schloss die Veranstaltung auch und überreichte Ronan Crippa und Andreas Hörl als Dankeschön je eine Flasche Wein.

Hansjakob Eggenberger, 21.4.2024

Veranstalter

IG Lehm Fachverband Schweiz
&
Lehm Ton Erde Baukunst
&
Allen + Crippa Architektur

Ort

Grabs SG